Raga stand vorm offenen Sarg. Sie war die letzte, die dem Verstorbenen die letzte Ehre erwies. Der Rest der Trauergemeinde, hatte den Aufbahrungsraum längst verlassen. Sie starrte Miku an. Tausende Gedankenfetzen schossen durch ihren Kopf. Szenen ihrer Bekanntschaft. Der nächtliche Besuch im Park, das Vergraben der Zeitkapsel, der Kuss am offenen Fenster als es in Strömen schüttete, der Moment als sie ihn das erste Mal in die Arme genommen hatte. Die Schaukel. All die kleinen kostbaren Momente, die sie mit ihm erlebt hatte und erleben hatte dürfen wanderten wieder vor ihrem inneren Auge vorbei und zerflossen in ungeweinte Tränen. Sie konnte nicht weinen. Sie hatte längst alle Tränen aufgebraucht in den Jahren davor. „Fräulein! Ich schließe jetzt ab. Die Aufbahrung ist für heute beendet.“, unterbrach sie der Angestellte, der für die Betreuung zuständig war. „Oh … ja … natürlich …“, erwiderte sie, beugte sich über Miku´s Leichnam und flüsterte leise „Tk-tka-zhs-zeh-krr-d´z-d´z …“.
Dann verharrte sie einen Moment, küsste seine kalten toten Lippen, richtete sich auf und verlies den Raum ohne weiteres Zögern. Draußen blieb sie stehen und holte tief Luft. Der Angestellte schloss hinter ihr die Türe ab. Dann ging er auf Raga zu und fragte höflich: „Entschuldigen Sie bitte. Darf ich Sie etwas fragen?“ „Natürlich.“, antwortete Raga. „Ich hoffe Sie empfinden diese Frage nicht als zu aufdringlich. Aber als Sie eben den Verstorbenen geküsst haben, haben sie eine mir unbekannte Sprache mit Zisch- und Schnalzlauten gesprochen. War das afrikanischen Ursprunges…? Ich hoffe Sie verzeihen diese Frage…“ „Nein. Es war pleiadisch.“ „Pleiadisch…?“, fragte der Mann ungläubig nach. „Ja. Pleiadisch. Weil es in Menschenworten unmöglich ist auszudrücken wie sehr ich ihn geliebt habe.“
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