Death Rehearsal – Ep.3 – „Walther PPK

Walther PPK Walther PPK

Die Pistole lag am Boden. Aus dem Lauf züngelte heiß der Rauch verbrannten Schießpulvers. Aus den Lautsprechern tönte Chopins Opus 15 No. 3.
Zwischen die Augen. Eine hatte immer noch gereicht.
„Nicht wegen Dir. Nicht für Dich.“, flüsterte er, zog an der Zigarette und machte ein paar Schritte auf das Konterfeit an der Wand zu, dessen Augen bereits Einschusslöcher zierten, in denen liebevoll Gänseblümchen steckten. Ein paar weitere Gramm Blei hatten das Bild durchschlagen und steckten tief im Beton. Grimmig begutachtete er das Loch in Bild und Wand. „Die nächste ist nicht für Steine. Die nächste trifft Fleisch. Wir üben hier sterben, Freundchen.“, höhnte er hasserfüllt. Hätte er sich selbst hören können, hätte er sich selbst vor seiner eigenen kaltherzigen Arroganz fremdgeschämt. „Vielleicht bin ich das Monster“, fügte er im Geist hinzu, „Vielleicht. Vielleicht sind wir alle Monster. Manche weniger. Manche mehr. Manche, weil sie es nicht wissen, manche weil sie es nicht wissen wollen. Menschen, die ihr ganzes Leben lang denken, sie wären Heilige. Was für jämmerliche und erbärmliche Waschlappen.“ Er bückte sich und hob die Waffe seines Großvaters vom Boden auf. „Ein wahres Juwel deutscher Ingenieurs-Kunst!“. Er kehrte zum Schreibtisch zurück und begann die Pistole vom Schmauch zu säubern. „Waffe zur Hauptreinigung auseinander nehmen!“, tönte es in seinem Kopf und er sah sich zurückgeworfen in jene Nacht, als er als junger Rekrut im Stockdunkeln in voller ABC-Ausrüstung – und das hieß in Gasmaske, Regenmantel und Stahlhelm – sein Sturmgewehr 77 in 70 Sekunden auseinandergenommen und wieder fertig zusammengebaut hatte. Der Oberwachtmeister hatte es nicht gelten lassen wollen. Er hätte sonst zugeben müssen, dass der achtzehnjährige Jungspund gerade den Kasernen-Rekord der Berufssoldaten gebrochen hatte. „Ha! Der Hippi! Was für ein Idiot.“, dachte er. Der Ausbildner, der mit bürgerlichem Namen Hiebaum geheissen hatte, war von seinen Kollegen und den Rekruten liebevoll Hippi genannt worden. „Ausbildner sind immer Idioten. Drill. Das funktioniert nur mit totalen Arschlöchern gut.“ Ein Blick durch den Lauf überzeugte ihn. Felder und Züge sauber. Wenige tausendfach geübte Handgriffe und die Teile aus Kruppstahl waren wieder an ihrem rechtmäßigen Ort.
Mit den Worten „Ab in den Sarg, Sweetie!“, steckte er die Waffe zurück in die Schatulle, die er daraufhin wieder in der Schublade im Schreibtisch verschloss. „Genug geübt. Ich muss hier raus. Zeit abzuhauen.“ Hastig griff er nach Tasche und Jacke und verließ eilenden Schrittes das Büro. Aus den Lautsprechern tönte Chopins Opus 55 No.1.

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